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Rezensionen

Oper des 20. Jahrhunderts

Bernd Feuchtner: Die Oper des 20. Jahrhunderts in 100 Meisterwerken. Wolke Verlag, 2020. 688 S., geb., 39,80 Euro, ISBN 978-3-95593-250-3

Traurig genug, dass so wenige zeitgenössische Opern im normalen Spielbetrieb der Theater heimisch werden. Dass aber selbst von jenen Werken des 20. Jahrhunderts, deren herausragende Qualität längst erwiesen ist, nur ein Bruchteil ab und zu auf den Bühnen landet, damit will sich Bernd Feuchtner einfach nicht abfinden. Der Autor, der sich einerseits als Schostakowitsch-Spezialist einen Namen gemacht und andererseits zehn Jahre Praxiserfahrung als Operndirektor und Chefdramaturg aufzuweisen hat, legt mit diesem ebenso gehaltvollen wie kurzweilig zu lesenden Buch ein flammendes Plädoyer für mutigere, facettenreichere Spielpläne vor.

Nach einer intelligenten Tour d’Horizon über die Gattungsentwicklung im 20. Jahrhundert beginnt Feuchtner mit seinem 100 Werke umfassenden chronologischen Gang. In bewusster Abgrenzung zu herkömmlichen Opernführern geht er dabei nicht nach einem bestimmten Gliederungsschema vor, sondern führt jeweils in unterschiedlichen Gewichtungen Komponistenporträt, Entstehungsgeschichte, Inhaltsübersicht und Kommentar in einer Werkbetrachtung zusammen. Die kann dann nur drei Seiten (Puccinis „Madama Butterfly“) oder auch mal elf umfassen (Weinbergs „Die Passagierin“). Manchmal kommt die eigentliche Würdigung dabei zu kurz, und musikalische Detailbetrachtungen vom Kaliber eines Ulrich Schreiber (auf dessen „Opernführer für Fortgeschrittene“ Feuchtner ausdrücklich verweist) finden sich nicht, in der Regel stimmt aber die Balance, und die Elemente fügen sich zu einem in sich stimmigen Essay, wobei oft politische und kunsthistorische Aspekte miteinfließen. Pointiert und meinungsstark bricht Feuchtner somit Lanzen für Ethel Smyth („The Wreckers“), Leevi Madetoja („Pohjalaisia“), Daniel Sternefeld („Mater dolorosa“), Benjamin Fleischmann („Rothschilds Geige“), Ján Cikker („Vzkriesenie“) oder Daniel Catán („Florencia en el Amazonas“), um nur, neben den vielen bekannten Namen, einige der weniger geläufigen zu nennen. Häufig kann Feuchtner sich dabei auf eine bestimmte Produktion beziehen, die er gesehen und ihn in der Ansicht bestärkt hat, dass das Werk auf der Bühne wirklich „funktionieren“ kann.

Um als Ausgleich zur – natürlich willkürlichen und in der Auswahl subjektiven – Beschränkung auf 100 Opern den Blick wieder zu weiten, sind materialreiche Exkurse zu prägnanten Entwicklungen in einzelnen Ländern und Regionen eingestreut (Italien, USA, Lateinamerika, DDR). Der Band trägt somit, ohne Anspruch auf Vollständigkeit, durchaus auch Züge einer Gattungsgeschichte.

Die Steckbriefe zu Beginn der Werkporträts sowie längere Zitate und Strukturübersichten sind rot gedruckt, zahlreiche, oft farbige Abbildungen lockern die große Textmenge auf. Mit bloßem Auge kaum mehr lesbar sind allerdings das Opern- und das Namensregister. Deren Umfang macht noch einmal deutlich, welch beeindruckende Leistung des überzeugend Farbe bekennenden Zugriffs Feuchtner hier gelungen ist. Ein großer Wurf, an dem künftig kein ernsthaft an Oper Interessierter vorbeikommt.

Juan Martin Koch

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