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Feuer Bewahren

Filmdokumentation über Martin Schläpfer

Düsseldorf, Programmkino Cinema, Ende Januar: Das Produktionsteam bittet zum Schläpfer-Preview. Und alle kommen. In Düsseldorf ist das sowieso ein Heimspiel. Man, vor allem frau, hat den Mann nun einmal ins Herz geschlossen, diesen grundsympathischen Schweizer mit seiner singenden Sprechmelodie, die dem Rheinischen ja nicht ganz unähnlich ist.

Unbedingt wollte man ihn halten am Rhein. Zwecks tänzerischer Belebung, tänzerischer Auffrischung auch der Theaterehe Düsseldorf-Duisburg, weswegen man Martin Schläpfer unlängst ein nagelneues Ballettprobenhaus hingestellt hat. Tanz soll sich verstetigen, soll eine Heimat, besser noch, weil näher an Schläpfers ganzer Einstellung: Tanz soll einen Kreationsort haben. Für Martin Schläpfer sind das Kammern, wo etwas zum Brennen gebracht werden kann.

Für Regisseurin Annette von Wangenheim ein schöner Anknüpfungspunkt. Klar, dass das zusammengehört: die Bilder vom Holzofen, den Schläpfer in seinem Tessiner Feriendomizil anschürt und die anderen Bilder von Schläpfers Arbeit mit der Compagnie. Eben, die andere Brennkammer, wo sich Schläpfers hochgelobte Choreografien herausbilden, herausschälen: Choreografien mit maximaler Distanz zum Handlungsballett, Choreografien, die eigentlich immer so etwas sind wie ineinander geschobene, übereinander getürmte Fragmente, jedes für sich eine Welt, jedes eine Welt für sich. Und in der es auch für das Streichholz zum Anmachen ein Wort gibt.

„Feuer bewahren, nicht Asche anbeten“ – das künsterlische Lebensmotto Gustav Mahlers ist auch das von Martin Schläpfer. Regisseurin von Wangenheim hat es in Schläpfers Wohnzimmer entdeckt, wo es mit roter Farbe an die Wand gemalt ist. „Feuer bewahren, nicht Asche anbeten“ – das sind 85 Minuten Martin Schläpfer hautnah mit viel Close-Up dabei: Martin Schläpfer mit und ohne Ohrring, Martin Schläpfer dienstlich auf der Bühne, hinter der Bühne, mit Kollegen, Freunden, Weggefährten, Martin Schläpfer privat auf seiner Berghütte im Tessin, in der Küche seines Düsseldorfer Wohnhauses, beim Essen, beim Kaninchenfüttern, bei Spaziergängen über die Rheinauen der Stadt.

Ein Jahr lang hat Annette von Wangenheim den Chefchoreografen der Deutschen Oper am Rhein mit ihrer Kamera begleitet. Herausgekommen ist eine gefilmte Charakterstudie. Ein wirklich schöner Film, der uns die Schattenseiten des Tanzes erspart. Klar, Transition etwa, das normale Karriereende eines Tänzers mit 30 bis 35, ist für Martin Schläpfer einfach kein Thema. Hier steht einer, der es geschafft hat. Was ist er für ein Mensch, fragt sich der Film? Da ist das Zwingende, das Drängende, die Direktheit, das Erotische dieser Künstlerpersönlichkeit – die andere Seite zur Zartheit, zur Scheu, zur Skrupulosität des Tänzers. Zwei Schläpfer-Seiten, eine Schläpfer-Medaille. In 85 Minuten um die Martin Schläpfer-Welt. Wobei von Wangenheim das Glück des Kairos hat, im richtigen Moment, im entscheidenden Augenblick dabei zu sein. Vor allem zwei Begegnungen sind es, die diesem Film Seele einhauchen. Die eine ist Schläpfers Begegnung mit der Tanzlegende Hans van Manen, der für Schläpfer auf dessen Bitten hin, die Choreografie „Alltag“ kreiert. Berührend, wenn van Manen dem Choreografen-Kollegen vormacht, wie man auf einem Stuhl sitzt und nachdenkt. Die andere Begegnung, die in die Dreharbeiten fällt, ist das Aufeinander­treffen von Martin Schläpfer mit der Komponistin Adriana Hölsky. Im Mai 2014 gelangt deren Auftragskomposition „Deep Field“ zur Uraufführung. Das Entstehen dieser abendfüllenden Choreografie mit Orchester, Chor, Zuspiel nimmt breiten Raum ein. Dass dieses den Tanz wie einen genialen Tänzer feiernde Künstlerporträt mit „Deep Field“ in der Gegenwart, im Zeitgenössischen ankommt, ist eine ausgesprochen glückliche Dramaturgie. Auch Adriana Hölsky ist ganz begeistert. Nicht anders als die nicht wenigen weiblichen Schläpfer-Fans im vollbesetzten Cinema. Und dann gibt es noch den Programmpunkt Schläpfer zum Anfassen. Der Abend will kein Ende nehmen.

Georg Beck

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