Beethoven wird zur Chefsache
Kulturpolitik in Bonn – eine Zwischenbilanz
Die erste Runde der Suche nach einem neuen GMD? Gescheitert. Der Traum vom Festspielhaus? Ausgeträumt. Opernhaus und Beethovenhalle? Sanierungsfälle. Das kulturpolitische Klima in der Stadt? Frostig. Für die Kultur läuft es derzeit nicht gut in Bonn. Hochkultur und Breitensport streiten um ihren Anteil am maroden Haushalt. Und man steuert direkt auf das nächste potenzielle Desaster zu: 2020 begeht man den 250. Geburtstag von Ludwig van Beethoven, dem – so die allgemein übliche Sprachregelung – „größten Sohn der Stadt“. Doch scheint Beethovens Stadt wie paralysiert: ein klares Konzept für das anstehende Jubiläumsjahr? Fehlanzeige.
Oberbürgermeister Ashok Sridharan (Foto: Michael Sondermann/Bundesstadt Bonn)
Kulturpolitisch hat der jüngst abgetretene Oberbürgermeister Jürgen Nimptsch (SPD) viel verbrannte Erde hinterlassen. Der passionierte Laienschauspieler inszenierte sich als volksnahes Sprachrohr des kleinen Mannes, taperte freilich glück- und ziellos vom einen Fettnäpfchen zum nächsten. Das fing mit einer alle betreffenden enervierenden Diskussion um eine Fusion der Opernhäuser in Köln und Bonn an und hörte mit der Erklärung, er schäme sich für teuer subventionierte Opernkarten, nicht auf. Ein glaubwürdiges Bekenntnis zur lokalen Kultur sieht anders aus.
Sein erst seit wenigen Monaten amtierender Nachfolger, der CDU-Mann Ashok Sridharan, schlägt derzeit ganz andere Töne an und zeigt klare Kante. „Er macht deutliche Ansagen und ist nicht polemisch“, fasst Generalintendant Bernhard Helmich, der für Oper und Schauspiel verantwortlich ist, seinen und den Eindruck vieler Bonner zusammen. Einer von verschiedenen Kreisen in Politik und Kultur betriebenen Vereinnahmung des Beethoven Orchesters unter die Fittiche der Oper, die quasi durch die Hintertür im Rat durchgewunken werden sollte, erteilte Sridharan eine Absage. Jetzt soll erst einmal geprüft werden. Die von Nimptsch immer wieder befeuerte Konfrontation von Sport und Kultur versucht Sridharan zu entschärfen, und 2020 erklärte er gleich zur Chefsache. Eine eigens für die Koordinierung aller Aktivitäten eingerichtete Stabsstelle ist direkt beim OB angesiedelt, auch das ein eindeutiges Signal.
Dirk Kaftan, neuer GMD (Pressefoto)
Für Markus Schuck, den kulturpolitischen Sprecher der CDU, sind aber nicht nur Signale entscheidend: „Entscheidend ist, welche kulturellen Entwicklungen dieser Stadt mit 2020 nachhaltig in Gang gesetzt werden, damit sich eine Bewerbung als Kulturhauptstadt 2026 und ein großartiges Beethoven-Gedenken 2027 anschließen können.“ Bis dahin gibt es freilich noch viel zu tun: Ein schlüssiges Gesamtkonzept fehlt bislang, stattdessen gibt es viel Stückwerk. Gerade haben die „Bürger für Beethoven“, einer der tragenden Kulturvereine der Stadt, eine Broschüre herausgegeben, in der sie alle bislang gesammelten Ideen auflisten, immerhin über 130 an der Zahl. Potenzial ist also da, man muss es nur nutzen. Und genau damit hat man sich in der Vergangenheit oft schwer getan in Bonn. Beim Festspielhaus sprangen angesichts der kulturpolitischen Tragikomödie, die man in Bonn aufführte, nach und nach drei Sponsoren ab, die immerhin 75 Millionen Euro investiert hätten. Das muss man erst mal schaffen.
In Rat und Verwaltung wird der Eindruck erweckt, mit einer Streichung der Kultur-ausgaben könne der städtische Haushalt saniert werden – obwohl Kultur-
ausgaben nur 6 Prozent des 1-Milliarden-Haushalts ausmachen.
Operninintendant Bernhard Helmich (Foto: Theater)
Statt das Projekt durch kulturpolitische Visionen und verhandlungstaktisches Geschick zu beflügeln, erwies sich vor allem Nimptsch als Zauderer und Bedenkenträger. Der Kontrast zu seinem Nachfolger könnte größer nicht sein. Zwar ist auch Sridharan vor Fettnäpfchen nicht gefeit – so bezeichnete er beispielsweise bei einem Karnevalskonzert des Beethoven Orchesters eine Wiedereinladung des britischen Comedian Rainer Hersch allen Ernstes als inhaltlichen (!) Eckpfeiler für Beethoven 2020. Da war der sichtlich enthusiasmierte OB wohl deutlich über das gutgemeinte Ziel hinausgeschossen.
Sridharan gibt sich aber nicht nur als Macher, er macht auch, setzt deutliche Zeichen. Das ist dringender nötig denn je, denn weitere Bewährungsproben stehen an: Laut derzeitiger Beschlusslage des Rates soll die Oper weitere 3,5 Millionen Euro einsparen, ein Ziel, das allerdings weithin als unrealistisch angesehen wird, weil es die Arbeit des Hauses im Kern gefährden würde. Manchen scheint dies ohnehin ein falscher Weg zu sein. „In Rat und Verwaltung wird der Eindruck erweckt, mit einer Streichung der Kulturausgaben könne der städtische Haushalt saniert werden – obwohl Kultur
ausgaben nur 6 Prozent des 1-Milliarden-Haushalts ausmachen“, so Stephan Eisel, Vorsitzender der „Bürger für Beethoven“.
Ein Streitobjekt im Bonner „Kulturkampf“: Die Beethovenhalle Bonn. Foto: Frank Fremerey
Am Dialog mit den Sportlern wird derweil gearbeitet. „Sport ist auch Teil der Kultur“, versucht der für Sport wie Kultur zuständige Dezernent Martin Schumacher zu beschwichtigen. Kraft seines Amtes sitzt er zwischen allen Stühlen, nachhaltige Impulse aus seiner Richtung blieben bislang aus. „Die Kulturvereine haben viele Brücken zu den Sportvereinen gebaut und tun das unermüdlich weiter“, meint Elisabeth Einecke-Klövekorn, Vorsitzende der Theatergemeinde. Dazu passt die eher symbolische Geste, dass Generalintendant Helmich und Stephan Berg, der Chef des Bonner Kunstmuseums, Sportlern Räume zur Verfügung stellen, wenn diese aufgrund der aktuellen Flüchtlingskrise aus Turnhallen weichen müssen. Die Zeichen stehen also auf Aufbruch in Bonn, die Diskussion hat sich aus der Sicht Helmichs „versachlicht“. Zudem gibt es hoffnungsvolle Signale, nach denen mit Dirk Kaftan endlich ein neuer, nun offenbar im zweiten Anlauf von allen Beteiligten in einem transparenten Verfahren ausgewählter und einhellig akzeptierter GMD gefunden sein könnte. Vom Stadtrat bestätigt ist die Personalie bereits, derzeit laufen die Vertragsverhandlungen. Wohlan!
Guido Krawinkel
|