|

Traumberuf Tänzer für Newcomer
Wibke Hartewig: „Traumberuf Tänzer – Ausbildung, Einstieg, Praxis“, 160 S., Henschel, 18, 90 Euro

Wibke Hartewig: „Traumberuf Tänzer – Ausbildung, Einstieg, Praxis“, 160 S., Henschel
Wer sich in der Tanzszene zwischen Ballett-Akademie, Staats-/Stadttheater und freier Compagnie ein bisschen auskennt, ob als professionell ausgerichteter Tanzstudent oder Hobby-Tänzer, als junger Tanzpädagoge oder Tanzjournalist, weiß über „Ausbildung – Einstieg – Praxis“ des Tänzerberufs ziemlich gut Bescheid. Wer das Tanzen im Kopf hat, informiert sich überall und ständig. Dennoch mag Wibke Hartewigs Buch „Traumberuf Tänzer“ für absolute Newcomer, für Schüchterne, die sich nicht trauen zu fragen, und Internet-Muffel (bei tanznetz.de, nur zum Beispiel, kann man sich auch kundig machen) durchaus nützlich sein. Garantieren kann man dem Käufer des Buches, dass alle wichtigen Fragen und Themen akribisch, aber keineswegs akademisch trocken beantwortet und abgearbeitet sind.
Hartewigs Sprache ist unprätentiös klar, insgesamt angenehm zu lesen. Die promovierte Tanz- und Theaterwissenschaftlerin, das spürt man aus jedem Kapitel, hat einen inneren Bezug zum Tanz. Klug bringt sie als Einstieg unmittelbar ansprechende authentische Erfahrungsberichte und Selbstaussagen von Tanzstudenten, Erst- und Ex-Profis. Da kommt schon einiges zur Sprache, worauf sich der Tänzer in spe einstellen muss, von der Staatstheater-Hierarchie über den harten Probenalltag bis zu zermürbender Selbstkritik und Abschied vom Tänzerberuf.
Und dann eben Daten und Fakten über die staatlichen Akademien, deren unterschiedliche Stil- und Technik-Angebote und weitere ergänzende Fächer wie Yoga, Feldenkrais oder Body-Mind-Centering; über die von den Akademien verlangte körperliche Voraussetzung und künstlerische Begabung. Über Vortanzen, Jobvermittlung, Agenten und und und. Hartewig ist wirklich durch und durch gründlich, lässt Pädagogen zu Prüfungsfragen zu Wort kommen, eine Tanzmedizinerin zu Verletzungsgefahren, vernünftigem Training und Ernährung. Sie umreißt die Arbeitsmöglichkeiten in Ensembles an festen Häusern, zeitgenössischen freien Compagnien, in Kabarett- und Musical-Produktionen, in Film, Fernsehen, Werbebranche und Freizeitparks.
Dabei liefert die Autorin unter der Hand auch die historische Entwicklung, den Ausbildungsfortschritt seit den 60er-Jahren an den verschiedenen Ausbildungsstätten, den Wandel auch an den Theatern, wo die einst rein klassischen Ballettensembles sich für die Tanzmoderne geöffnet haben.
Sie stellt die finanzielle Sicherheit eines Engagements an einem staatlichen oder städtischen Theater der Unsicherheit in einer freien Compagnie gegenüber, zugleich die hierarchische Struktur und Reglementierung hier und die größere künstlerische Freiheit dort. Sie verweist auch auf die in den letzten Jahrzehnten entstandenen nationalen und internationalen Netzwerke von Künstlern, Kuratoren, Theater- und Festivalleitern und Institutionen wie tanzhaus nrw düsseldorf, PACT Zollverein in Essen oder das Tanzquartier Wien, um nur drei zu nennen: Netzwerke, die freien Compagnien und freien selbständigen Tänzern oft die Existenz, das Überleben ermöglichen. Insgesamt benennt Hartewig pragmatisch die zu nehmenden Hürden, aber auch die verschiedenen Wege und Chancen, doch noch den „Traumberuf Tänzer“ zu verwirklichen. In dieser Ausgewogenheit und mit seinem Adressen-kompakten Anhang ist ihr Buch sicher eine gute Informationsquelle für tanzferne Eltern, deren Tochter oder Sohn sich diesen Beruf ausgesucht hat, dem ja immer noch das Klischee „brotlose Kunst“ anhängt. In seiner – jedenfalls zur Zeit – Fakten-Vollständigkeit ist es ohne Zweifel auch ein praktisches Handbuch für Tanzwissenschaftler.
Malve Gradinger |