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Berichte

Begegnung der Kulturen

Bernhard Langs „Montezuma“ in Mannheim · Von Andreas Hauff

Das neueste große Musiktheater-Werk des österreichischen Komponisten Bernhard Lang war eigentlich für das Theater Linz bestimmt. Die Querelen um die dort geplatzte Uraufführung kann Lang nun getrost vergessen. Die Premiere von „Montezuma – fallender Adler“ am Nationaltheater Mannheim geriet eindrucksvoll in jeder Hinsicht.

 
Cornelia Ptassek als Malintzin. Foto: Christian Kleiner
 

Cornelia Ptassek als Malintzin. Foto: Christian Kleiner

 

Inhaltlich geht es um die Eroberung des mexikanischen Aztekenreiches durch die spanischen Kolonisatoren. Das Libretto, das auf Langs 2001 verstorbenen Freund Christian Loidl zurückgeht und von Peter Leisch, einem weiteren gemeinsamen Freund, komplettiert wurde, entfaltet eine dramaturgisch überzeugende Mischung von Handlung und Reflexion. Es gibt eine Bühnenerzählung, die den Zuschauer in den Bann zieht, doch ist sie durchzogen von einer lyrischen Grundhaltung, die zum Verweilen und Nachdenken anregt. Gezeigt wird die Begegnung zweier verschiedener Kulturen nämlich als eine Geschichte gegenseitiger Nichtwahrnehmung.

Der Eroberer Cortéz (Ekkehard Abele) erscheint als Vertreter eines von christlichen Motiven unterfütterten raffgierigen Materialismus, während sein dichterisch veranlagter Gegenspieler Montezuma (Daniel Gloger) sogar den Brand seines eigenen Palastes als ästhetische Erfahrung zu genießen weiß. „Edelsteine! Den kaufen wir uns!“, gibt der Spanier seinen Mannen als griffiges Motto vor, während Montezuma amüsiert konstatiert: „Der weiße Affe kitzelt den Jaguar.“ Das gewaltige Blutbad und die Orgie der Zerstörung, die die Eroberer dann anrichten, werden auf der Bühne nur angedeutet. Stattdessen erleben wir, wie Montezuma allmählich den Kontakt zur Realität verliert. Die Sympathien der Autoren liegen sichtlich auf der Seite der Verlierer, aber idealisiert werden diese nicht. Am Ende finden sich alle, Spanier wie Azteken, als gesichtslose Schatten in der Unterwelt.

Zwei Figuren geraten zwischen die Fronten. Die indianische Dolmetscherin Malintzin (Cornelia Ptassek) dient sich dem mächtigen Cortéz an. Der spanische Priester Damiano (Tim Severloh) wird als Kranker von den eigenen Leuten schikaniert und liegengelassen. Montezuma findet ihn und bringt ihn nach traditionellem Ritus der Sonne als Menschenopfer dar. Beides Countertenöre, steigern sie sich, vom großen Orchester begleitet, in eine unwirklich-rauschhafte Stimmung hinein, in der heidnisches Opferritual und christliche Kommunion miteinander zu verschmelzen scheinen und das Missverstehen schon fast wieder ins Verstehen mündet. Lang zitiert dazu Wagner (Motive aus „Tristan“, „Götterdämmerung“, „Parsifal“) und Bach (den Choral „Gloria sei dir gesungen“); diese Passagen wirken nicht aufgesetzt, sondern tatsächlich erhellend.

„ Montezuma“ trägt den Untertitel „Musiktheater für 6 Stimmen, Chor, Jazz-Combo, Turntables, Ensemble und Zuspielung“. In der Partitur selbst verbinden sich unterschiedliche Traditionslinien: Neue Musik in der Avantgarde-Tradition, aber auch Minimal Music, dazu Elemente aus Jazz, Rock, Pop und außereuropäischer Musik. Die gesteigerte Deklamation und teilweise virtuose Führung der Singstimmen erinnern an die Tradition barocker Affekten- und Selbstdarstellung, die zahlreichen Wort- und Tonrepetitionen wiederum an Carl Orff. Doch was bei Orff „gesunde“ Archaik ausstrahlt, wirkt bei Lang psychologisch gewendet: Die Figuren erscheinen triebhaft besessen, nicht mehr Herr ihrer Selbst. Dass der Chor immer wieder einzelne Wörter oder Silben der Solopartien mitspricht oder mitsingt, verstärkt diesen Eindruck wirkungsvoll. Unter der musikalischen Leitung von Walter Nußbaum entsteht im Zusammenspiel des Ensembles mit dem erweiterten Orchester des Nationaltheaters und der gut funktionierenden Technik eine bis auf einige Längen am Schluss überaus stimmige musikalische Gesamtdramaturgie.

Regisseur und Ausstatter Peter Missotten setzt wirkungsvoll auf verdichtende Symbolik. Ein Dreieck inmitten eines Wasserbeckens steht für die ebenso von Sümpfen wie von menschlichen Niederungen umgebene Hauptstadt Tenochtitlan. Zwei Korbgeflechte zeigen die geheimnisvolle Eigenart der aztekischen Kultur, ermöglichen aber zugleich wirkungsvolle Auftritte und Abgänge. Die in Partitur und Libretto geforderten Naturbilder allerdings fehlen auf der Bühne. Während man Montezumas großes Vogelhaus vielleicht noch in der Korb-Konstruktion wiederfindet, bleiben zirpende Grillen und quakende Frösche, obwohl deutlich zu hören, ohne szenisches Pendant. Die Video-Elemente sind stilvoll eingesetzt: Am Anfang sieht man Bilder der Hauptfiguren, am Ende verschwimmen sie – dank der Morphing-Technik – ineinander. Sieger und Verlierer sind ununterscheidbar im Orkus der Geschichte gelandet.

Andreas Hauff

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