Rezensionen
Drei Männer im Schnee
Thomas Pigor u.a.: „Drei Männer im Schnee“ (2019), Revueoperette nach Erich Kästner. Ensemble des Staatstheaters am Gärtnerplatz – Andreas Kowalewitz. 1 CD, con anima
Endlich – denn Erich Kästners Texte sind „musikaffin“: Chansons mit seinen Gedichten zeugen davon; auch viele luftig leichte und kess-freche Passagen in den Romanen „schreien“ nach Vertonung. Vor über zwei Jahren gab Intendant Josef Köpplinger dem Genre-erfahrenen Thomas Pigor den Auftrag zu einer Revue-Operette im Stil der 1920er-/1930er-Jahre. Die Wahl fiel auf ein populäres Werk.

Thomas Pigor u.a.: „Drei Männer im Schnee“ (2019), Revueoperette nach Erich Kästner. Ensemble des Staatstheaters am Gärtnerplatz
Kästners 1934 in Zürich – als Beispiel für die umstrittene „Innere Emigration“ – erschienener Roman „Drei Männer im Schnee“ mit seinen Verkleidungen und gesellschaftlichen Verwechslungen von „Oben“ und „Unten“ funkelt vor Situations- und Wortwitz samt kleinen politischen Seitenhieben. Thomas Pigors oft pointierte, auf CD leider verknappte Dialoge verbinden insgesamt 26 Musiknummern, für die Pigor selbst, Benedikt Eichhorn, Christoph Israel und Konrad Koselleck Texte und schmissig eingängige Musik geschrieben haben: Weills Song-Stil, Walzer, Schlager, Tango, grässlich ironische Jodl- und Zither-Einlagen, Foxtrott und Charleston – all das serviert Dirigent Andreas Kowalewitz mit dem um eine Jazz-Band erweiterten Gärtnerplatzorchester: im Mitschnitt anfangs etwas trocken, dann vibrierend und animierend. Der quirlige Galopp „Drei Männer im Schnee“, die Chor-Nummer über den Berg „Fragen wir doch einfach mal den Wolkenstein“, schließlich das nach vielen Kratzbürstereien doch mögliche Liebesduett „Komm unter die Laterne, süße, kleine Subalterne“ zwischen Habenichts Hagedorn und Industriellen-Tochter Hilde – diese Nummern haben Hit-Qualitäten.
Regisseur-Intendant Josef Köpplinger beherrscht das temporeiche Spiel und fordert seine auch hörbar typen-gerechten Solisten in Mini-Dialogen entsprechend: überragend Erwin Windeggers Tycoon Tobler, der durch alle Schikanen der Hotelleitung hindurch als verkleideter „armer Schlucker“ hübsch entlarvende Alltagserfahrungen macht und in Hagedorn einen Freund findet.
Doch speziell die von Adam Cooper stupend choreografierte Stepp-Nummer „Skifahr’n im Schnee“ auf Holzskiern(!) macht klar: Kästners „Ausflucht-Roman“ trifft als Musiktheater stilistisch die pulsierend witzige Revue-Operette jener kulturell überbordenden Weimarer Jahre und verdient in Köpplingers temporeich pfiffiger Inszenierung eigentlich eine DVD-Aufzeichnung. Jetzt ist nur zu hören, dass das Staatstheater am Gärtnerplatz dabei ist, einen neuen Repertoire-Klassiker zu etablieren.
Wolf-Dieter Peter
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