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Höhen und Tiefen: Die Kroll-Oper
Die Geschichte der Berliner Opernhäuser (Teil 7) ·
Von Susanne Geißler
Der Weg vom Vergnügungsetablissement zur avantgardistischen
Opernbühne war verschlungen, pleitenträchtig und skandalumwittert.
Die Bezeichnungen der Spielstätte wechselten häufig: Krolls
Wintergarten, Krolls Etablissement, Krolls Garten, Neues Königliches
Operntheater, Neue Oper am Königsplatz, Staatsoper am Platz
der Republik, Kroll-Oper, Kroll-Garten. Für die Berliner, die
behördlichen Namensgebungen selten Respekt bezeugen, hieß
das Unternehmen einfach Kroll.
Im September 1841 weilte Seine Majestät Friedrich Wilhelm
IV. in Breslau und dinierte im „Wintergarten“. Dieser
behagte ihm derart, dass er dem Eigner Joseph Kroll den Antrag machte,
nach Berlin zu kommen und dort ein noch größeres Etablissement
zu besten Konditionen zu errichten. Kroll erwies sich als risikofreudiger
Geschäftsmann, der die Chance seines Lebens zu nutzen gedachte.
Unter dem besonderen Schutz des Hohenzollern (Überlassung eines
kostenlosen Baugeländes) pumpte sich Kroll die als Startkapital
geforderten 30.000 Thaler zusammen und begab sich nach Berlin. Den
zugewiesenen Bauplatz wird er mit gemischten Gefühlen betrachtet
haben. Er befand sich an einem riesigen Exerzierplatz vor den Toren
der Stadt am Rande des Tiergartens. Nichts war da als Unkraut und
Sand, in dem man knöcheltief versank. Jenseits des stadtbegrenzenden
„Brandenburger Tores“ hatte sich am Ufer der Spree das
Restaurations- und Vergnügungsgeschäft ausgebreitet, denn
Natur kann der Berliner nur bei Musik und Bier genießen. Aus
überdachten Erfrischungsständen, den „Zelten“,
entwickelte sich ein Quartier von Ausflugslokalitäten, das,
obwohl es bald aus immer größeren massiven Gebäuden
bestand, beharrlich weiterhin „in den Zelten“ genannt
wurde.
Viele Attraktionen
Mit den Vorentwürfen für den gewünschten Vergnügungstempel
betraute Friedrich Wilhelm IV. seine Hofbaumeister Friedrich Persius
und Carl Ferdinand Langhans. Auf allerhöchste Anordnung machte
sich 1845/46 der große Landschafts- und Gartengestalter Peter
Joseph Lenné daran, den Exerzierplatz zu einem Paradeplatz
umzugestalten. Später, als sich Preußen zum Kaiserreich
gekriegt und gesiegt hatte, erhielt der Platz eine Siegessäule
und den Namen Königsplatz. Die konkrete Bauausführung
für Krolls Etablissement lag in den Händen des begabten
Architekten Eduard Knoblauch, dem Erbauer der Synagoge in der Oranienburger
Straße. In der erstaunlich kurzen Bauzeit von zehn Monaten
entstand ein monumentaler Bau in Form der märkischen Biedermeier-Renaissance.
Mit einem prachtvollen Ball eröffnete Kroll das Haus am 15.
Februar 1844. 5.000 Damen und Herren fanden in drei Sälen ausreichend
Platz. Kroll verstand es, mit immer neuen Attraktionen das Interesse
des Publikums wach zu halten. In vielen Straßen Berlins warben
große Plakate für den Besuch der italienischen oder chinesischen
Nächte, der Verlosungen, der phantastisch arrangierten Maskenbälle,
Weihnachtsaustellungen oder dergleichen. Er holte sogar den Wiener
Walzerkönig Johann Strauß nach Berlin. Strauß befand
allerdings, dass die Verführungskünste seiner Tänze
„dem berlinischen Naturell wenig anhaben konnten“ und
zog sich rasch und endgültig mit seiner Kapelle in die Heimatstadt
zurück. Als Joseph Kroll kurz nach der März-Revolution
1848 an einem Leberleiden starb, übernahm die älteste
seiner vier Töchter die Leitung des Hauses und erwirkte von
dem berüchtigten Polizeipräsidenten Hinckeldey die Konzession
für Theateraufführungen.
Albert Lortzing
Auguste Kroll ließ im Königssaal ein Podium errichten,
spielte sich an einigen Volksstücken warm, um sich dann der
Oper zuzuwenden. Zu groß war der Reiz, sich dieser Gattung
zu widmen, die sich noch eine Generation zuvor der Hof vorbehalten
hatte. Der aus Erfurt zugereiste Theaterdirektor Böttner übernahm
das musikalische Regime und schreckte neben den unverzichtbaren
Komödien, Lustspielen und Lokalpossen auch nicht vor der großen
Oper zurück. In der ersten Saison 1850 wurden zum Beispiel
„Martha“ von Friedrich von Flotow, „Die Regimentstochter“
von Donizetti‘, „Die weiße Dame“ von Boieldieu
und der „Barbier von Sevilla“ von Rossini aufgeführt.
In Anbetracht eines Orchesters von lediglich 36 Mann Stärke
darf man das als ein ausgesprochen mutiges Unternehmen bezeichnen.
Kurz vor dessen frühem Tod wurde Auguste Kroll zum Schutzengel
für einen Komponisten, der zeitlebens als Prophet im eigenen
Land nichts oder nur wenig galt: Albert Lortzing. Von Theater zu
Theater wandernd, materiell immer am Rand des Existenzminimums,
war er bei allen Erfolgen, die seine Opern hatten, ein armer Schlucker
geblieben. Auguste verpflichtete ihn, und so studierte er hier vor
den Toren der Stadt seinen „Waffenschmied“ ein und dirigierte
ihn selbst. Auch seine „Undine“ erlebte hier ihre Berliner
Premiere. Am 12. Oktober 1850 hatte Lortzing die Gelegenheit, die
Böttner‘sche Einstudierung seines „Zar und Zimmermann“
zu sehen. Zu Königs Geburtstag wurde diese Oper angelegentlich
eines Festaktes wiederholt.
Die Kroll‘sche Unterstützungsaktion war eher ideeller
als finanzieller Natur. Außer Ruhm erntete der Komponist von
diesen Aufführungen so gut wie nichts. Tantiemen und Honorare
wurden nicht gezahlt. Bei der angespannten wirtschaftlichen Lage
der Kroll‘schen Bühne wäre das auch schwer gefallen.
Lortzing starb am 21. Januar 1851 in völliger Armut. Sein Lebensleid
fasste der Komponist in einem Brief aus seinen letzten Berliner
Jahren zusammen: „So gestehe ich Dir, was ich noch keinem
gestand, dass ich durch die letzten verhängnisvollen Jahre
verarmt bin, dass Deutschland darob erröten könnte, wenn
es anders Scham im Leibe hätte... Die Herren Intendanten, Direktoren,
Oberregisseure und andere..., wenn sie nicht gleich Erfolge, wie
die des „Freischützen“, auch eines „Zar und
Zimmermann“ wittern, lassen den deutschen Komponisten im Stich...
Wie wurde und wird gleich nach französischen Opern geangelt.
Oh, entstünde doch nur einmal eine Revolution beim Theater.“
Brand und Wiederaufbau
Wenige Tage nach Lortzings Tod traf das Kroll‘sche Etablissement
ein schwerer Schlag: Es brannte bis auf die Grundmauern ab. Nur
der Garten und das Sommertheater überstanden den Brand. Mit
80.000 Thalern Entschädigung aus der Feuerversicherung machte
sich die resolute Auguste unverzüglich an den Wiederaufbau.
Ein junger ungarischer Violinist und Dirigent auf der Durchreise
von Wien nach Petersburg, Jakob Engel, machte in Berlin einen Zwischenaufenthalt
und wurde Krolls neuer Kapellmeister. Auguste verliebte sich und
nach kurzer Verlobungszeit heirateten die beiden. Der Kroll-Engel,
wie er bald genannt wurde, setzte an zum musikalischen Höhenflug.
Neben den bewährten Opern von Lortzing, Auber und Donizetti
versuchte er mit Rossinis „Othello“ die Opera seria
bei Kroll einzubürgern und wagte sich auch an die Kompositionen
Richard Wagners heran. Bei den Sommerkonzerten brachten Engels Musiker
Ouvertüren und Märsche aus „Tannhäuser“
und „Lohengrin“ zu Gehör.
Doch so sehr sich Engel auch ins Zeug legte, Früchte trugen
seine Bemühungen nicht. Die geschäftliche Konstruktion
des gesamten Unternehmens war nicht tragfähig genug für
einen Opernbetrieb. 1855 wurde das Haus wegen wirtschaftlicher Schwierigkeiten
erst geschlossen, dann an den Hauptgläubiger verkauft. Auch
der neue Besitzer geriet in den finanziellen Ruin und musste das
Unternehmen 1862 zwangsversteigern lassen. Das auf runde 280.000
Thaler taxierte Objekt ging an den Meistbietenden. Und dieser Meistbietende
– keiner wusste genau, wer hinter ihm stand und wie er das
Geld zusammengebracht hatte – war zur allgemeinen Überraschung
Jakob Engel, der für 109.000 Thaler den Zuschlag erhielt.
Ende der Dynastie
Nach sieben Jahren Interregnum war das Unternehmen wieder in der
Hand der Dynastie Kroll/Engel. Von aufwändigen Operninszenierungen
ließ Engel – aus Schaden klug geworden – fürderhin
die Finger. Berühmt wurde das Haus durch seine Weihnachtsausstellungen,
Promenadenkonzerte und Bälle. Dennoch plagten Jakob Engel wirtschaftliche
Sorgen. Seit der Einführung der Gewerbefreiheit 1869 fiel der
Konzessionszwang weg und die Privatunternehmen schossen wie Pilze
aus dem Boden. Kroll verlor seine Exklusivität. So wurde das
25-jährige Jubiläum in einer bedrückenden ökonomischen
Lage begangen, die für das Unternehmen seit seiner Gründung
nun schon charakteristisch war. Als Engel 1888 starb, übernahm
sein Sohn die Leitung, verlor aber bald die Lust. Die 50-Jahr-Feier
stand bereits unter dem Stern laufender Verkaufsverhandlungen mit
dem Brauereibesitzer Julius Bötzow. Kroll-Junior siedelte mit
seiner Mutter nach New York über, wo Auguste Kroll 1907 das
Zeitliche segnete. Nach 50 Jahren war die Dynastie Kroll in ihrem
Stammhaus erloschen.
Renovierungsbedarf
Was macht man mit einem Haus, das eigentlich zu groß ist,
das andererseits niemand missen will? Brauer Bötzow nutzte
es als Restaurationsbetrieb mit gelegentlichen Konzertveranstaltungen.
Er hatte sich aber verschätzt, was die Einnahmen aus dieser
Art der Bewirtschaftung betraf. 1895 schloss er mit den Königlichen
Schauspielen einen Pachtvertrag ab, und so fanden denn ab August
bei Kroll wieder Opernaufführungen statt. Intendant Graf Bolko
von Hochberg veranlasste schließlich, dass Bötzow im
April des folgenden Jahres das gesamte Etablissement für zweieinhalb
Millionen Mark dem preußischen Fiskus überließ.
Hochberg hatte damit endlich eine zweite Spielstätte für
die mit ihren 1.500 Plätzen allmählich eng werdende Lindenoper.
Er benannte Kroll in „Neues Königliches Opernhaus“
um und nutzte es während der dringend erforderlichen Umbauten
im Schauspielhaus und an der Lindenoper 1904/05 als Interimsbühne.
Die auf Verschleiß spekulierende Übernutzung brachte
das Kroll-Gebäude selbst in den Zustand dringlicher Renovierungsbedürftigkeit.
Denn nicht nur die Theatervorstellungen nagten an der Substanz,
sondern vor allem die legendären Bälle bei Kroll.
Mit einer Renovierung wollte man sich jedoch nicht lange aufhalten.
Ab 1909 gab es eine Planung für ein neues Kaiserliches Opernhaus.
Das Arbeitsministerium trat an den Berliner Stadtbaurat Ludwig Hoffmann
heran, der Ende 1913 erste Pläne erstellte. Das Preußische
Abgeordnetenhaus bewilligte die erste Rate der benötigten Gelder
und unmittelbar darauf begannen die Abrissarbeiten, die der wenige
Wochen später ausbrechende Erste Weltkrieg unterbrach. Seit
1915 lagerte die „Zentralsammelstelle der Reichswollwochen“
im gesamten Kroll‘schen Gebäudekomplex Wolle und Lumpen
ein.
Die Volksbühne
Unmittelbar nach dem Krieg nahm der neue preußische Kultusminister
Adolph Hoffmann Verbindungen zu Musikern, Theaterleuten und Architekten
auf, um die Kroll-Ruine zu einem „Volksopernhaus“ mit
3.000 Plätzen auszubauen. Ehe man sich über das Projekt
einig werden konnte, gab es einen neuen Kultusminister in Preußen
und vor allem kein Geld mehr für den Neubau. Bis zum Juli 1920
geschah nun gar nichts mehr. Etwa zur gleichen Zeit hatte sich die
Volksbühne, die mit dem 1914/15 fertig gestellten „Theater
am Bülowplatz“ (heute Rosa-Luxemburg-Platz) über
ein großes Schauspielhaus verfügte, von dem Gedanken
verabschiedet, zusätzlich noch eine Volksoper zu bauen. Stattdessen
schloss sie mit dem Preußischen Staat einen Pachtvertrag über
25 Jahre für das Kroll-Grundstück ab. Als Gegenleistung
für den sehr geringen Pachtzins verpflichtete sie sich zum
beschleunigten Wiederaufbau der Ruine. Mit der Durchführung
wurde der Architekt Oskar Kaufmann betraut, der ein erfahrener Theaterarchitekt
war. Kaufmann vergrößerte nicht nur den Zuschauerraum
und das Bühnenhaus zu Deutschlands größtem Operntheater,
er legte auch im südlichen anschließenden Gartenteil
zwei Terrassen und eine Freilichtbühne neu an und konzipierte
einen ovalen Festsaal, der auftragsgemäß 5.000 Personen
fassen sollte. Das Projekt war so groß dimensioniert, dass
der Volksbühne bald die finanzielle Puste ausging. Die Inflation
tat ihr Übriges. Wieder einmal war Kroll in eine finanzielle
Kalamität hineinmanövriert.
Ort der Neuen Musik
Der sozialdemokratische Ministerpräsident Braun sprang seinen
Volksbühnengenossen zur Seite. Der Preußische Staat übernahm
die Kosten zur Fertigstellung und schließlich das gesamte
Opernhaus, während die Volksbühne für 25 Jahre die
Hälfte der Karten für jede Vorstellung abzunehmen hatte.
Diese konnte sie an ihre Mitglieder zu stark verringerten Preisen
weitergeben. Am 1. Januar 1924 wurde die „Oper am Königsplatz“
mit den „Meistersingern von Nürnberg“ unter Erich
Kleiber eröffnet. Doch die Staatsoper wurde nicht glücklich
mit ihrer zweiten Spielstätte. Kroll blieb zweite Wahl, solange
sie von der Lindenoper aus regiert wurde. Das Solistenpersonal wie
auch die Staatskapelle waren durch den doppelten Spielbetrieb überfordert.
So trennte man denn, was nicht zusammenwachsen konnte und wollte.
Otto Klemperer wurde zum Direktor und musikalischen Leiter der „Staatsoper
am Platz der Republik“ berufen, die am 19. November 1927 mit
Beethovens „Fidelio“ eröffnet wurde. Unter Klemperers
Leitung wurde das Haus Berlins Vorzeigeobjekt für fortschrittliches,
in die Zukunft weisendes Kunst- und Musikverständnis. In ihrer
nur vierjährigen Arbeitsphase erhielt die Stadt endlich ein
alle Konventionen aufbrechendes progressives Musiktheater. Zeitgenössische
Komponisten wie Igor Strawinsky, Paul Hindemith, Ernst Krenek, Maurice
Ravel, Darius Milhaud, Jaques Ibert, Arnold Schönberg, Kurt
Weill, Leos Janácek fanden hier ihre Plattform in kompetenter
musikalischer Interpretation durch Otto Klemperer, Alexander von
Zemlinsky und Fritz Zweig, um nur einige zu nennen. Adäquat
waren die Inszenierungen von Jürgen Fehling und Gustav Gründgens
und die Bühnenbilder von Teo Otto, Ewald Dülberg, Caspar
Neher, den Bauhauskünstlern Oskar Schlemmer und László
Moholy-Nagy oder dem italienischen Maler Giorgio de Chirico.
Schmachvolles Ende
Von Anfang an waren die Reaktionen auf diese revolutionären
Opernaufführungen zwiespältig. Begeisterung auf Seiten
des modernen Bildungsbürgertums, eindeutige Ablehnung auf Seiten
der Konservativen. Nach einer Spielzeit trat Klemperer als Operndirektor
zurück, ihm folgte Ernst Legal (der nach 1945 noch sieben Spielzeiten
der Staatsoper Unter den Linden vorstand). Auch ihm war ein Durchbruch
zur einhelligen Publikumsgunst nicht beschieden. Die Volksbühnenmitglieder,
die ja 50 Prozent der Karten besaßen, konnten die moderne
Opernästhetik nicht verkraften. Suchten sie doch gerade den
kulinarischen Genuss der konventionellen Opernaufführungen.
Dieses Bedürfnis wurde von der Leitung der Kroll-Oper schlicht
ignoriert, was sich in schwindenden Besucherzahlen manifestierte.
Die Neubesetzung des Kultusministeriums durch den Sozialdemokraten
Adolf Grimme, den der Klemperer-Biograph Peter Heyworth einen „anständigen,
aber unprofilierten Schulmeister ohne besonderen Sinn für Musik
und bildende Künste“ nennt, bedeutete das Ende für
die Kroll-Oper. Er schlug vor, durch die Schließung des Hauses
andere finanziell schwach gestellte preußische Staatstheater
zu unterstützen. Das Finanzministerium, von Anfang an voll
Reserviertheit gegen das Kroll-Experiment, stimmte erwartungsgemäß
zu. Zwar beteiligten sich führende Theaterleute und namhafte
Intellektuelle an einer Kampagne „Rettet die Kroll-Oper“,
jedoch vergeblich. Am 25. März 1931 beschloss eine Regierungsmehrheit
aus Zentrum und Rechtsparteien unter Stimmenthaltung der SPD und
gegen die Stimmen der Kommunisten die Schließung des Hauses.
Das Ende war schmachvoll. Nach dem Reichtagsbrand vom 27. Februar
1933 wurde am 5. März in Deutschland ein neuer Reichstag gewählt.
Noch hielt man sich an die Weimarer Verfassung, die besagte, dass
die gewählten Parlamentarier innerhalb von 30 Tagen zur konstituierenden
Sitzung zusammen zu treten hatten. Raum suchend verfiel man auf
die seit dem Sommer 1931 ungenutzt herumstehende Kroll-Oper als
Versammlungsort. Der Zuschauerraum wurde in kürzester Zeit
so umgebaut, dass 647 Abgeordnete bequem Platz finden konnten. Eigentlich
waren nur knapp 560 Sitze nötig, denn die 81 KPD-Mandate waren
schon kassiert, ein Dutzend SPD-Abgeordnete in „Schutzhaft“
genommen worden. Der Reichstagspräsident Göring wurde
am 21. März per Zuruf „gewählt“. Nur zwei
Tage später peitschte Hitler hier sein „Ermächtigungsgesetz“
durch, das die Weimarer Verfassung in wesentlichen Punkten aufhob.
Schutt und Asche
Als die Lindenoper im April 1941 zerstört wurde, erwachte
bei Kroll noch einmal das musikalische Leben. Die britische Luftoffensive
gegen Berlin machte der erneuten Wiedergeburt am 22. November desselben
Jahres ein Ende. Kroll versank in Schutt und Asche. Nach dem Krieg
bewirtschaftete man für einige Jahre noch das Gartenrestaurant.
1957 wurde auch das geschlossen und der letzte Ruinenrest abgeräumt.
Im Zusammenhang mit der Internationalen Bauausstellung INTERBAU
diente der Platz als Parkgelände für die neu erbaute Kongresshalle.
Susanne Geißler
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