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Zum Amtsantritt von Siegfried Jerusalem an der Hochschule Augsburg-Nürnberg

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Portrait

Der Promi-Rektor

Zum Amtsantritt von Siegfried Jerusalem an der Hochschule Augsburg-Nürnberg

Im August 1999 wurde durch den Zusammenschluss des Meistersinger-Konservatoriums in Nürnberg und des Leopold-Mozart-Konservatoriums in Augsburg die Hochschule für Musik Augsburg-Nürnberg als staatlich anerkannte nichtstaatliche Hochschule errichtet. Zum Wintersemester 2001/02 löste Tenor Siegfried Jerusalem Gründungsrektor Franz Müller-Heuser im Amt ab. Die Gründungsphase im engeren Sinne ist damit beendet und die Hochschule muss im Wettbewerb mit anderen Instituten ihre Leistungsfähigkeit beweisen. Andreas Kolb sprach mit dem neuen Rektor.

Andreas Kolb: Beschreiben Sie unseren Lesern das Profil der Musikhochschule Nürnberg-Augsburg.
Siegfried Jerusalem: Wir sind eine kleine Hochschule mit 300 Studienplätzen in Nürnberg und 200 in Augsburg. Wir bilden Instrumentalisten, Sänger und Musikpädagogen aus, jedoch keine Schulmusiker. Darüber hinaus gibt es die Studiengänge Elementare Musikpädagogik und Jazz. Die zwei Standorte sind nicht nur ein Profilmerkmal, sondern auch ein Problem: Denn sie liegen 200 Kilometer auseinander. Gemeinsame Projekte wie die jüngste Matinee zu Hans Werner Henzes 75. Geburtstag zeigen allerdings nicht nur ein musikalisch hohes Niveau, sondern belegen auch, dass Entfernung kein Hindernis für eine gute Zusammenarbeit sein muss.

 
 

Siegfried Jerusalem. Foto: Thomas Müller

 

Kolb: Was ist noch neu?
Jerusalem: Ab dem nächsten Jahr haben wir voraussichtlich ein internationales Opernstudio, in Zusammenarbeit mit den Städtischen Bühnen. Das Projekt ist ein großer Posten, der voraussichtlich mit einer halben Million Mark im Jahr zu Buche schlagen wird. In das Opernstudio werden für die Dauer von ein bis zwei Spielzeiten zwischen vier und acht Studenten aufgenommen. Das Niveau setzen wir sehr hoch an.

Kolb: Welche Berufschancen hat denn eine angehende Sängerin, ein angehender Sänger heute?
Jerusalem: Ich möchte die ausbilden, die später auch eine Chance im Beruf haben. Ich darf jemand nicht fälschlicherweise den Glauben geben, nach fünf Jahren wird das schon klappen.

Kolb: Hier geht es demnach um die Verantwortung der Hochschule, nicht nur für die künstlerische sondern auch für die Berufsausbildung.
Jerusalem: Ja, natürlich. Auch in den Opernchören soll die Qualität hoch sein. Es darf nicht so sein, dass nur „gescheiterte Existenzen“ in den Chor gehen, das müssen gut ausgebildete Stimmen sein. Darin unterscheidet sich ein Chor nicht von einem Orchester: Er lebt von seiner Qualität.

Kolb: Warum ist die Chorarbeit oft geringer geachtet als das Orchesterspiel?
Jerusalem: Manchmal haben sich die Chormitglieder das selbst zuzuschreiben, zum Beispiel wenn es vorkommt, dass der Dienst zum Dienst wird...

Kolb: Sie entschieden sich relativ spät für eine Karriere als Solist. Ist Ihre Karriere typisch?
Jerusalem
: Es geht in der Regel meist erst mit 20 los. Mit der Begabtenförderung kann ich zwar auch beim Singen in einem Jugendchor anfangen. Doch der Jugendchorgesang hat seine Tücken. Hier ist vor allem das Einfügen in den Chorklang gefragt. Man lernt oft Dinge, die für einen Solisten falsch sind. Beim Opernchor ist das anders, hier ist ganz „normaler“ Gesang gefragt.

Kolb: Rektorenstellen werden nicht oft mit so prominenten Künstlern besetzt wie Sie einer sind. Wie kriegen Sie Bühne und Hochschule unter einen Hut?
Jerusalem: Ich singe jetzt in Wien zweimal Siegfried und den ganzen „Ring“, also alle vier Partien. Im Juni singe ich im neuen La Fenice in Venedig dreimal konzertant Tristan. Ich bin jetzt in einem Alter, wo ich sage: Mit Siegfried und Tristan ist langsam Schluss. Und ich habe auch das Fach erweitert. Im September sang ich zum ersten Mal den Herodes, in New York an der Met werde ich eine Neuinszenierung der „Salome“ machen, in München und London singe ich den Ägisth in „Elektra“. Da ist ein erfahrener Sänger schon genau der Richtige.

Kolb: Im Gegensatz zum Gründungsrektor, Franz Müller-Heuser, sind Sie an der Hochschule aber stärker präsent.
Jerusalem: Ja, ich finde es aber auch wichtig, dass ich nicht nur in Nürnberg und Augsburg, sondern auch in der Weltgeschichte präsent bin. Wenn ich in New York bin oder in Wien, dann wird eben über unsere Musikhochschule Nürnberg-Augsburg gesprochen. Das ist auch für die Außenwirkung unserer Hochschule wahnsinnig wichtig.

Kolb: Wie kam es denn zu Ihrem ersten Rektorat?
Jerusalem: Ich wohne seit 21 Jahren in der Nähe von Nürnberg und hatte verschiedene Angebote für eine Professur. Als Herr Müller-Heuser vergangenes Jahr Nürnberg vorschlug, griff ich dann auch gerne zu. Hier in Nürnberg habe ich die Chance, vieles ganz neu und auch anders zu gestalten.

Kolb: Sind Sie jemand, der das Unterrichten als Teil seiner künstlerischen Arbeit sieht?
Jerusalem: Ich unterrichte wahnsinnig gerne. Mit jungen Leuten arbeiten, das ist fantastisch: Ich bin nur furchtbar aufgeregt, wenn die singen. Wenn ich mal nicht da bin, habe ich einen sehr guten Assistenten, den Korrepetitor Matthias Lademann aus Dresden. Bevor ich ihn hierher holte, war er zwei Jahre bei Silvia Geszty in Stuttgart und anschließend mehrere Jahre in Wien.

Kolb: Wie empfinden Sie das Nürnberger beziehungsweise Augsburger „Hochschulklima“?
Jerusalem: Ich bin eigentlich nicht hochschulerfahren. Darum ist für mich auch das Rektorenamt neu. Ich wollte das zunächst bestimmt nicht, aber Franz Müller-Heuser überzeugte mich davon, dass ich für die Hochschule, für die Studenten mehr erreichen kann, weil mit mir eine bekannte Persönlichkeit an der Spitze steht – gerade an einer neu gegründeten Musikhochschule. Wenn die sich mal etabliert hat, ist das was anderes.

 

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