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Krisen-Spots aus der Kulturhauptstadt-Region
Mitten im Kulturhauptstadtjahr
sorgen sich die Bürger im
Ruhrgebiet um ihre Theater und Opernhäuser. Hoch verschuldete
Kommunen sehen sich gezwungen, ihre Kulturetats drastisch zu kürzen.
Eintrittspreise werden erhöht, Programme ausgedünnt – und
einzelnen Sparten, sogar kompletten Häusern droht das Aus.
Die Finanzaufsicht zwingt die Städte zwischen Rhein und Ruhr
zum rigorosen Sparen. Gekürzt werden müssen insbesondere
freiwillige Leistungen wie zum Beispiel Kulturzuschüsse.
Essens Stadtkämmerer Lars Martin Klieve (CDU) sagt: „Wir
kommen um Einschnitte nicht herum“. Die Zuschüsse für
die Theater und Philharmonie (TUP) GmbH Essen würden um acht
Millionen Euro gekappt. Nach Rechnung des Betriebsrats hingegen
bleiben der TUP künftig sogar 15 Millionen Euro weniger. In
Wuppertal wollen Oberbürgermeister und Kämmerer das Schauspielhaus
bis 2013 schließen, wie Sprecherin Kathrin Petersen sagt.
Schließlich bleibe ja noch das Opernhaus erhalten. Für
Ende März ruft darum der Deutsche Bühnenverein zu einer
Großkundgebung an die Wupper. Bereits im Januar hatten Tausende
Bürger gegen die beabsichtigte Schließung demonstriert.
In Bochum mussten bereits die Baupläne für die Sinfonie
gestoppt werden (s. auch „namen&fakten, S. 17). Eine
Schließung von Häusern drohe momentan aber nicht, sagt
Kulturamtsleiter Michael Townsend (SPD). Allerdings könnte
es sein, dass die Finanzaufsicht noch mehr Einsparungen verlangt,
bis zu 150 Millionen Euro statt der anvisierten 100 Millionen Euro. „Dann
müssten auch wir Kultur-einrichtungen schließen.“
In Oberhausen bleibe die Schließung von Theatern im Stadtrat „ein
Tabu“, versicherte Sprecher Rainer Suhr. Bereits 1993 hat
man dort das Musiktheater dichtgemacht.
Ein Ausweg aus der Misere wäre nach Ansicht des Kulturrats
NRW, Kultur als „verpflichtende Selbstverwaltungsaufgabe“ der
Kommunen einzustufen und nicht als „freiwillige Leistung“.
Der Deutsche Bühnenverein sieht den Bund in der Pflicht. „Wir
brauchen ein Hilfsprogramm, ähnlich wie für die Pleitebanken“,
forderte Geschäftsführer Rolf Bolwin. „Die kulturelle
und soziale Infrastruktur der Kommunen muss auch in Krisenzeiten
ausreichend finanziert sein.“
Der unter anderem für die Sparvorgaben verantwortliche Regierungspräsident
Jürgen Büssow (SPD) wehrt sich gegen das Image vom Totengräber
der Thea-
ter. Er wolle eine „kulturelle Grundversorgung“ erhalten. „Wir
müssen in allen Bereichen sparen, auch in der Kultur“,
betonte er. Von den Kulturmachern erwarte er daher konstruktive
Beiträge. „Viele sind leider nicht sehr kooperativ“,
kritisiert Büssow.
Ernst von Siemens Musikpreis für Michael Gielen
Michael Gielen
erhält in diesem Jahr den Siemens Musikpreis.
Der Dirigent, dem zeitlebens der Ruf eines Spezialisten für
Neue Musik vorausging, war Chefdirigent an der Königlichen
Oper Stockholm und anschließend an der Niederländischen
Oper Amsterdam. Eine Großtat Gielens fiel in die 60er-Jahre:
Die Uraufführung von Bernd Alois Zimmermanns Oper „Die
Soldaten“ an der Kölner Oper. Bis dahin galt das Werk
als unaufführbar.
Gielens vermutlich wichtigste Phase seiner Karriere begann mit
seinem Engagement an die Oper Frankfurt im Jahr 1977. In seinen
zehn Frankfurter Jahren formulierte Michael Gielen zusammen mit
Klaus Zehelein (Chefdramaturg und Operndirektor) eine neue Ästhetik
des modernen Opern-Theaters, die für Aufsehen sorgte – weit über
die Stadtgrenzen Frankfurts hinaus. Zu den Regisseuren, die Gielen
und Zehelein in Frankfurt versammelten, gehörten Ruth Berghaus,
Hans Neuenfels, Jürgen Flimm, Harry Kupfer, Alfred Kirchner
und Volker Schlöndorff. Nach seiner Frankfurter Zeit verpflichtete
sich Michael Gielen für zehn Jahre beim Radio-Sinfonieorchester
des SWR als dessen Chefdirigent. In dieser Funktion war er vor
allem für die Donaueschinger Musiktage zuständig. Bei
allem Engagement für die Neue Musik hat Michael Gielen nie
die Geschichte der Musik aus dem Blick verloren. Einen Unterschied
zwischen Alter und Neuer Musik hat es für ihn nie gegeben.
Der Siemens Musikpreis wird abwechselnd einem Interpreten und einem
Komponisten verliehen. Diesmal ist der Interpret an der Reihe. Überreicht
wird der Preis, der gerne auch als „Musik-Nobelpreis“ bezeichnet
wird, am 5. Mai in München.
Mäzen im Knast
Alberto Vilar, gebürtiger Kubaner und vermeintlich großzügiger
Mäzen auch europäischer Musikinstitutionen, wurde wegen
Veruntreuung zu 9 Jahren Haft verurteilt. Vilar hatte neben der
New Yorker Met und dem Royal Opera House London auch den Bayreuther,
Salzburger und Baden-Badener Festspielen Gelder versprochen, von
denen die meisten allerdings nie ausgezahlt wurden. Wegen Investmentbetrugs,
Urkundenfälschung und Geldwäsche ist Vilar bereits 2008
verurteilt worden, das Strafmaß war zunächst offen geblieben.
Geld für Kinderchöre
Die Baden-Württembergische Landesregierung will Mädchen-
und Jungenchöre mit bis zu 120.000 Euro fördern. Wie
das Kunstministerium in Stuttgart mitteilte, wurde zu diesem Zweck
eine Ausschreibung gestartet. Staatssekretär Dietrich Birk
(CDU) sagte, viele Kinderchöre im Land hätten ein hohes
gesangliches und künstlerisches Niveau. Mit der Landesförderung
wolle man deren Arbeit unterstützen. Kinderchöre können
sich selbst um die Landesförderung bewerben. Die Förderdauer
beträgt jeweils ein Jahr.
Offener Brief
Berliner Intendanten und Dirigenten haben sich in einem offenen
Brief an Bildungssenator Jürgen Zöllner (SPD) gegen
einen weiteren Abbau des Musikunterrichts in allgemein bildenden
Schulen ausgesprochen. Konkret erheben unter anderem Daniel Barenboim,
Kirsten Harms, Sir Simon Rattle, Lothar Zagrosek, Carl St. Clair
und Ingo Metzmacher die Forderung nach 1,5 Stunden Musikunterricht
in der Woche in den Sekundarschulen. Geplant ist in Berlin offenbar,
den Musikunterricht auf eine Wochenstunde zu kürzen.
Klassik-Boom
Klassische Musik ist der Gewinner des Musikmarkt-Jahres 2009. Das
meldet der Bundesverband Musikindustrie. Zahlreiche Veröffentlichungen
zu den Jubiläen berühmter Komponisten ließen
die Zahl der verfügbaren Klassik-Produkte erheblich steigen.
Besonders auffällig sei, dass immer häufiger jüngere
Menschen zur Klassik greifen, meldet der Verband. So stieg 2009
der Anteil der Klassikkäufer bei den 10- bis 19-Jährigen
im Vergleich zum Vorjahr von 1,3 auf 1,8 Prozent und bei den 20-
bis 29-Jährigen sogar von 2,7 auf 4,7 Prozent.
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