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Chaos in Stuttgart
Die Besetzung der Opernintendanz am Staatstheater Stutt-gart ist
wieder völlig offen. Einige Tage wurde der Kölner Kulturdezernent
Georg Quander als aussichtsreicher Kandidat gehandelt. Der machte
aber aufgrund des chaotischen Vorgehens der Politik einen Rückzieher
und steht nun nicht mehr zur Verfügung. Zuvor hatte der
Verwaltungsrat der Oper beschlossen, den bis Sommer 2011 gültigen
Vertrag von Intendant Albrecht Puhlmann nicht zu verlängern.
Daraufhin hatte Baden-Württembergs Kunstminister Peter Frankenberg
in einem Schnellschuss Quander ins Gespräch gebracht und
war dafür stark kritisiert worden; so stark offenbar, dass
die Querelen zu Quanders Absage führten.
Bühnenverein warnt
Der Deutsche Bühnenverein hat sich auf seiner Jahreshauptversammlung
2009 in einer sehr engagierten Diskussion mit den Gefahren für
das Ensemble- und Repertoiretheater befasst. Diese liegen laut
einer im Rahmen der Versammlung verabschiedeten Resolution insbesondere
in dem dauerhaften Abbau von Arbeitsplätzen und der zunehmenden
Anzahl von Gastverträgen. In den letzten 15 Jahren seien 7.000
Arbeitsplätze bei den Theatern und Orchestern verloren gegangen,
heißt es in der Resolution. Gleichzeitig sei die Anzahl der
Gastverträge von 8.000 auf 18.000 gestiegen. Die-
se Entwicklung dürfe sich aus Sicht des Bühnenvereins
gerade angesichts der globalen Finanzkrise, die zugleich auch eine
Gesellschaftskrise sei, nicht fortsetzen. Einstimmig haben sich
alle in Leipzig versammelten Intendanten, Kulturdezernenten und
Verwaltungsdirektoren für den Fortbestand des Ensemble- und
Repertoirebetriebs ausgesprochen. In der Resolution wird auch auf
die Bedeutung einer kontinuierlichen ästhetischen Bildung,
vor allem von Kindern und Jugendlichen hingewiesen, welche „durch
Ensemble und Repertoire vor Ort gewährleistet“ werde.
Neues aus Bayreuth: Streik, Kindertheater und Vergangenheitsbewältigung
Premiere
in Bayreuth: Die neue Festspielleitung mit den Halbschwestern Eva
Wagner-Pasquier und Katharina Wagner musste sich in den Wochen
vor „ihren“ ersten Festspielen mit der Gewerkschaft
ver.di auseinandersetzen. Für den Eröffnungsabend am
25. Juli war ein Streik angedroht worden für den Fall, dass
es nicht rechtzeitig zu einer Einigung im Tarifstreit für
die 170 Bühnenarbeiter und Verwaltungsbeschäftigten komme.
Kurz vor der Wiederaufnahme von „Tristan und Isolde“ (eine
Neu-Inszenierung gab es in diesem Jahr nicht) kam es dann zu einer
Einigung zwischen Festspielleitung und Gewerkschaft, so dass die
Eröffnung wie ge-plant stattfinden konnte. Die Vereinbarung
sieht eine Eingruppierung der Mitarbeiter vor, die sich an den
in Staatstheatern üblichen Tarifen orientiert. Darüber
hinaus wurden verschiedene Zulagen beschlossen.
Neu in Bayreuth war auch die Öffnung für Kinder: Noch
vor der eigentlichen Eröffnung gab es in diesem Jahr erstmals
eine speziell für Kinder eingerichtete Fassung des „Fliegenden
Holländers“. Die 240 kleinen Gäste zwischen sechs
und zehn Jahren erlebten die einstündige Fassung der Wagner-Oper.
Ein Erzähler führte die Kinder durch die Handlung und
forderte sie auch zum Dialog oder zum Mitmachen auf.
Neues gibt es auch über den Umgang der Familie Wagner mit
der Nazi-Vergangenheit der Bayreuther Geschichte zu berichten.
Mit deren Aufarbeitung soll sich ein unabhängiges Forschungsprojekt
beschäftigen. Geplant ist ein erster Zwischenbericht im Jahr
2013.
Weniger neu: Auch im Krisenjahr 2009 sind alle Vorstellungen restlos
ausverkauft. Von 438.136 Kartenwünschen konnten 54.000 erfüllt
werden. Die Wartezeit für Erstbesteller liegt bei fast zehn
Jahren.
Drohender Garaus für Hagens Theaterkultur
Medienberichten
zufolge soll das Theater Hagen mit seinen Sparten Orchester, „Lutz“ (Junge Bühne), Ballett und Musiktheater
bis 2014 komplett aufgelöst und in eine Gastspielbühne
umgewandelt werden. Der Zuschussbedarf im Kulturbereich soll um
sechs Millionen Euro reduziert werden. Sollte das Sparkonzept umgesetzt
werden, droht 60 Musikern, 24 Chorsängern, 16 Balletttänzern
sowie 13 Musiktheatersolisten die Entlassung; hinzu kommen noch
etwa 75 Stellen aus der Technik, den Werkstätten und dem Personalbereich.
Allein 113 Theaterbeschäftigten müsste betriebsbedingt
gekündigt werden, was allerdings momentan noch als Tabu-Thema
behandelt wird. Martin Puttke, Sprecher der Bundesdeutschen Ballett-
und Tanztheaterdirektoren, hat vor einer Schließung des Hagener
Theaters oder des Hagener Balletts gewarnt. Ballettcompagnien abzuschaffen
habe in NRW leider eine „negative Tradition”, in Hagen
sei es besonders absurd, weil das Ballett führend in der Gunst
des Publikums sei. Eine Schließung des Balletts bringe zudem
nur weitere Probleme: Das Haus würde an vielen Tagen nicht
mehr bespielt, für Tanzeinlagen in Musikproduktionen brauche
man dann teure Gäste. „Das ist ein Spiel mit dem Feuer“,
so Hagens GMD Florian Ludwig. „Das Einsparpotenzial bei der
Umwandlung in eine Gastspielbühne ist lächerlich im Vergleich
zu dem, was verloren geht.“
Aus für das Opernchorstudio in Dresden
Am 7. Juli 2009 wurde das Opernchorstudio der Semperoper in Dresden
geschlossen. Damit ist ein einzigartiges Ausbildungsinstitut
für den Chornachwuchs in Deutschland (s. unser Porträt
in „Oper&Tanz“, Ausg. 5/2005) mehr oder weniger
klammheimlich in der Versenkung verschwunden. Nach wie vor bereiten
die Musikhochschulen junge Sängerinnen und Sänger zwar
intensiv auf eine Solo-Karriere, nicht ausreichend aber auf eine
Laufbahn im Opernchor vor. In Dresden wurde aus diesem Grund
bereits vor 20 Jahren das Opernchorstudio, ein Kooperationsprojekt
der Oper und der Hochschule, gegründet. Hier stand die Ausbildung
zum Chorsänger vom ersten Semester an im Vordergrund. 66
junge Sänger haben diese Ausbildung durchlaufen. Alle Absolventen
fanden im Anschluss ein Engagement. Die Chöre freuten sich über
qualifizierten Nachwuchs – allen voran der Chor der Semperoper,
der im Besonderen auf die hier Ausgebildeten zugriff. Von den
einstmals 100 Chorstellen in Dresden stammen immerhin 24 aus
dem Ausbildungsgang des Opernchorstudios. Das sagt Enrico Schubert,
der Leiter des Studios. Besser: der ehemalige Leiter. „Aus
Gründen der Haushaltskonsolidierung der Semperoper“ erhielt
er von der Opern-Intendanz vor einiger Zeit die Mitteilung über
die Schließung. Eine nähere Begründung gab es
zunächst nicht. Der Chor, so heißt es, werde konsolidiert
(sprich: von 95 Planstellen auf 84 heruntergekürzt). Aus
diesem Grund, so meint man wohl, brauche man den Nachwuchs nicht
mehr heranzubilden. Da hat wohl jemand die Begriffe Quantität
und Qualität verwechselt!
Statt Modell zu werden für weitere Institutionen dieser Art
in Deutschland (, die dringend nötig wären), ist nun
erst einmal Schluss mit der qualifizierten Chorsänger-Ausbildung.
Schubert veranstaltete am 7. Juli immerhin noch ein Abschluss-Event
mit einem Rückblick über 20 Jahre OCS, mit Gesangs-und
Sprech-
erziehungsprogrammen und Beiträgen ehemaliger Studenten .
Das Opernchorstudio konnte er nicht mehr retten. bh
(Ein ausführliches Gespräch mit Enrico Schubert und Margot
Ehrlich, der Vorsitzenden der VdO und Opernchorsängerin in
Dresden, über die Bedeutung des Studios und dessen Schließung
lesen Sie im nächsten Heft.)
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