
Pina Bausch und Peter Zadek sind kürzlich verstorben. Sie
sind leuchtende Beispiele für Künstlerpersönlichkeiten,
die die deutsche Kultur in den letzten Jahrzehnten in ganz besonderer
Weise prägten. Dies ist nicht zuletzt Deutschlands weltweit
einmaliger Kulturlandschaft zu verdanken. Diese einzigartige Infrastruktur
für Theater und andere Kultureinrichtungen bildete und bildet
immer noch das Fundament für das Schaffen solch
außergewöhnlicher Künstlerpersönlichkeiten.
Zunehmend aber werden soziale Infrastruktur
und Kultureinrichtungen in Deutschland abgebaut und zusammengespart, auch mit dem Argument
des Geburtenrückgangs und der drohenden Überalterung
der Gesellschaft. Wie aber vor kurzem in einer wissenschaftlichen
Studie der Universität Pennsylvania herausgefunden, steigt
die Geburtenrate ab einem bestimmten Grad ökonomischer Entwicklung
wieder an. Entscheidend sei hierbei der sogenannte „Human
Development Index“ (HDI), der sich aus Wirtschaftskraft,
Lebenserwartung und Bildungsgrad der Einwohner eines Landes berechnet.
Was die Wirtschaft betrifft, so ist zur Zeit der Presse zu entnehmen,
dass die deutschen Unternehmen trotz der Wirtschaftskrise bisher
nur zu einem Bruchteil auf die vom Staat zur Verfügung gestellten
milliardenschweren Kredit- und Bürgschaftsprogramme zurückgreifen.
Dies legt den Schluss nahe, dass viele der Unternehmen doch nicht
ganz so notleidend sind wie befürchtet. Zum einen wohl aufgrund
der in den letzten fetten Jahren zurückgelegten Reserven.
Zum anderen gibt es erste Anzeichen dafür, dass der Tiefpunkt
der Krise überwunden sein könnte. So konnte die Industrie
im Juni 2009 einen Auftragsanstieg verbuchen wie seit fast zwei
Jahren nicht mehr, teilte das Wirtschaftsministerium mit. Auch
Politiker lassen sich bereits zu Aussagen wie „Vielleicht
ist die Lage ja doch viel besser als die Stimmung“ hinreißen.
Insofern sollte von der wirtschaftlichen Seite her die Basis für
einen steigenden HDI bestehen. Bei dem Faktor Lebenserwartung ist
Deutschland ohnehin – nicht zuletzt aufgrund der immer noch
sehr guten medizinischen Versorgung – einer der Spitzenreiter.
In Sachen Bildung stellten die Wissenschaftler um den Soziologen
Hans-Peter Kohler von der University of Pennsylvania in ihrer Studie
fest, dass die hochentwickelten Industrieländer möglichst
viel tun müssten, um den Index für die Bevölkerung
weiter anzuheben. Sprich: nicht nur in Gesundheit und Arbeitsplätze,
sondern gerade auch in Bildung und Kultur investieren.
Darüber hinaus wird Kultur als Wirtschaftsfaktor immer wieder
vernachlässigt. Neben dem Aspekt, dass das kulturelle Umfeld
ein wichtiger Standortfaktor und Anreiz ist, um Investoren für
eine Region zu gewinnen, liefern kulturelle Einrichtungen über
die sogenannte Umwegrentabilität eine ganz erhebliche Einnahmequelle
z.B. für angrenzende Gewerbetreibende.
Anstatt die Kräfte sinnlos an Konzepte zu vergeuden, die einen
Abbau der bestehenden Kultureinrichtungen vorsehen, muss mehr in
Bildung und Kultur und die damit zusammenhängenden Arbeitsplätze
investiert werden. Die bestehende Infrastruktur sollte die Grundlage
sein, auf der Kultur wachsen und gedeihen kann. Eine Grundlage,
die Künstlerpersönlichkeiten wie Bausch und Zadek auch
künftig einen fruchtbaren Boden für ihr Schaffen bietet,
wie es der Standort Deutschland als „Land der Dichter und
Denker“ immer war. Die Kultur und damit auch das Theater
sind als Katalysator einer prosperierenden Gesellschaft unverzichtbar.
Kultur ist keine freiwillige Leistung, muss Pflichtaufgabe sein.
In diesem Sinne steht der Aufruf zur Erhaltung und Akzeptanz
der deutschen Theaterlandschaft, sie ist einzigartig, elementarer
Wirtschaftsfaktor
und unterstützt eben auch die demographische Entwicklung. Gerrit Wedel
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